Ein unglaublich einfaches und zugleich ungemein hilfreiches Konzept, um unseren aktuellen status quo besser begreifen zu können, ist das Salutogenese-Modell. Es wurde in den 1970ern von dem Medizin-Soziologen Aaron Antonovsky als Gegensatz zur Pathogenese (= Entstehung von Krankheit) entwickelt und befasst sich mit den Voraussetzungen und Faktoren für Gesundheit und Wohlbefinden.
Als ich es vor etwas mehr als einem Jahr, relativ zu Beginn meiner zweiten Coaching-Ausbildung, kennenlernte, war es für mich ein absolutes Aha-Erlebnis und ich hoffe, dass Du es gleich beim Lesen für Dich und Dein Leben anwenden und seine Kraft erfahren kannst.
Die 3 Elemente der Salutogenese sind Verständnis, Sinn und Machbarkeit. Da aus meiner Sicht ein Modell oder Konzept nur dann etwas taugt, wenn man es praktisch anwenden kann, lass uns diese drei Begriffe und ihre Bedeutung anhand eines Beispiels betrachten:
Nehmen wir an, Du befindest Dich in einer Krise. Du bist ständig gestresst und angespannt, so dass es sich körperlich bemerkbar macht. Jeder von uns hat da "bevorzugte Bereiche" - bei der einen sind es Kopfschmerzen oder Migräne, bei der anderen Verspannungen und Rückenschmerzen, die nächste spürt eine tiefe Erschöpfung, wieder andere schlafen schlecht oder wachen unerholt auf.
Meist gelingt es uns über eine gewisse Zeit (oft viel zu lang!), ungute Situationen oder Verhaltensweise zu kompensieren und "durchzuhalten" - bewusst oder auch unbewusst - , doch irgendwann spüren wir zunehmend, dass es so nicht weitergehen kann.
Wenn wir an diesem Punkt innehalten und uns Zeit nehmen, erst einmal unsere Situation und unseren Zustand genauer anzuschauen, dann können wir verstehen, was genau gerade abläuft.
Dies braucht durchaus Mut, eine gewisse Offenheit und die Fähigkeit, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein - denn wir alle wissen, wie leicht es ist, die Augen zu verschließen und sich etwas vorzumachen.
In der Phase des Verstehens geht es darum, alles auf den Tisch zu legen und eine Bilanz zu ziehen:
So ist es!
Das kann zunächst schwerfallen, ist jedoch unglaublich befreiend! Denn wenn wir anerkennen, dass dieses oder jenes gerade gar nicht nach unseren Vorstellungen ist, nehmen wir den Druck, den die innere Spannung durch Verleugnung. Nur dann können wir uns daran machen, etwas zu ändern - was bereits auf die Machbarkeit hindeutet, doch soweit sind wir (noch) nicht.
Denn zwischen Verständnis und Machbarkeit liegt zunächst eine andere, sehr wesentliche Phase: Die Frage nach dem Sinn. Natürlich gibt es Situationen und Erfahrungen, in unserem Leben, die außerhalb unseres Einflusses liegen - dann geht es nicht darum zu fragen "welchen Sinn hatte dieser Schicksalsschlag" - doch was immer in unserem Einflussbereich liegt, ist die Interpretation dieser Situation oder Erfahrung. Gerade bei Konstellationen, bei denen wir mitgestaltende Co-Creator*innen sind, ist es enorm lehrreich, den eigenen Anteil zu betrachten.
Um auf das Beispiel zurückzukommen: Wenn ich im Bemühen um Verständnis meiner Krise erkannt habe, dass ich zu hohe Ansprüche an mich habe, mich übernommen habe, dass ich zu wenig auf mich und meine Bedürfnisse geachtet habe und auf diese Weise in einen Erschöpfungszustand geraten bin - dann kann eine durchaus sinnvolle Interpretation sein, dass die Erschöpfung mit ihren Symptomen mir zeigen möchte, dass es zu viel gewesen ist und ich endlich eine Pause brauche.
Kombiniert ergeben Verständnis und Sinn den Nährboden für die wichtige dritte Dimension, den Bereich der Machbarkeit. Denn natürlich wollen wir nach dem Verstehen, wie es zu der Krise gekommen ist, und der größeren Einordnung in einen Sinnzusammenhang gemäß des Ansatzes der Gesundwerdung schauen, wie der Weg aus der Krise sein könnte. Die Frage nach der Machbarkeit ist eine ganz wunderbare, denn sie weist ganz deutlich darauf, was in der Situation gerade möglich (= machbar) ist! Gerade das "ich sollte, müsste, könnte..." ist in einer Krise oftmals eher eine zusätzliche Belastung und da viele Anlaufstellen, Experten und Publikationen hervorragend im Ratschläge geben sind, baut dies häufig noch zusätzlichen Druck auf, wenn man ganze Maßnahmenkataloge mit langen Listen vorgelegt bekommt - wie soll das gehen, wenn man doch bereits über dem Limit und erschöpft ist?
Machbarkeit nutzt das Prinzip der kleinen Schritte und schaut, was in erreichbarer Reichweite ist.
Wenn eine realistische Ahnung entsteht, wie und wo der Weg hingehen könnte, werden in den meisten Fällen auch die Energie und Ressourcen freigesetzt, um sich auf diesen Weg zu machen.
Gemäß dem weisen Ausspruch von Laotse, dass auch eine Reise von 1.000 Meilen mit dem ersten Schritt beginnt.
Das großartige Geschenk, das uns dieses Modell geben kann, ist, dass wir mithilfe dieser drei Bereiche unsere Situation reflektieren, wieder Kohärenz, also Stimmigkeit, herstellen und dadurch Ruhe schaffen. Diese Qualitäten wiederum sind ungemein hilfreich und unterstützend für alle weiteren Schritte auf dem Weg zu Deinem Wohlbefinden.
Impuls & Inspiration
Zum Abschluss einige Fragen für Dich als Impuls und Inspiration, um tiefer einzusteigen:
Verständnis Was passiert gerade? Was ist der gegenwärtige Zustand? Was ist meine Rolle?
Sinn Warum passiert das? Welche Bedeutung gebe ich der Situation? In welchem größeren Kontext sehe ich dies?
Machbarkeit Was kann ich tun? Welche Kleinigkeit kann ich anders machen? Welcher Mini-Schritt würde mir helfen?
Comments